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Lenti

 

Vergilbte, verblasste Bilder in meiner Hand, in meinem Kopf:

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Kindheit auf staubigen Straßen, in heißen Sommern und „Lenti”, die trotz Hitze in Kopftuch und schwarzer Tracht auf ihrem „Hockedli” sitzend, immer eifrig beim Helfen, Erbsen in eine Schüssel in ihrem Schoß puhlt. Ihre bloßen, weißen Haare sah man nur bei außergewöhnlich schwülem Wetter.

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So habe ich sie in Erinnerung, meine Urgroßmutter.

„Lenti” haben wir sie genannt, weil sie unten, auf der anderen Seite des Dorfes gewohnt hat. In einem Haus mit Brunnen inklusive Nebengebäude und Hühnern im Garten. Vor dem Haus wurden wir an solchen Sommertagen stets von einem Blumenmeer, in allen möglichen Größen und Farben empfangen.        

            

In ihren schwächlichen Tagen jedoch ist sie zu meiner Oma, in meine Nachbarschaft gezogen. Ihren Spitznamen behielt sie trotz des Umzuges bei.

Sie las immer Bücher, geschrieben in einer damals für mich unlesbaren Schriftart und sprach kaum ungarisch mit uns. Mit all ihren Kindern, Enkeln, Urenkeln und Ururenkeln sprach sie schwäbisch, geantwortet wurde meist auf Ungarisch.

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Lenti, die beinahe 100 Jahre alt geworden ist, zwei Weltkriege mit- und überlebt hatte, verkörperte für mich immer „das Ungarndeutschtum” und ich antwortete ihr höchstens auf Hochdeutsch.

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Originalphoto von Lenti

Hintergrund aus dem Familienalbum: Familie Mohr (u.a. meine Großeltern) bei der Weizenernte

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